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Gedanken zum Osterfest 2022: Kann Gott Russland vergeben?
Datum: Sonntag, dem 10. April 2022
Thema: Reise - News


Der Sprecher des Philosophische Laienarbeitskreises, Dennis Riehle, hat einen Gedankenimpuls zum Osterfest 2022 veröffentlicht:

Verbrechen gegen die Menschlichkeit – diese Formulierung hören wir seit Beginn des Krieges in der Ukraine ständig. Hinter jeder dieser Meldungen steckt unsägliches Leid und Demütigung, das Nehmen von Würde und jeglicher Persönlichkeit. Ein Angriff, der auf Vernichtung ausgerichtet ist und offenbar von einem Staatslenker befohlen wird, der in seiner nostalgischen Vorstellung eines imperialistischen Russlands der vergangenen Jahrhunderte verharren will. Elend und Pein treffen jeden einzelnen Menschen im Donbass und anderen Regionen. Die Qualen sind auch für Außenstehende schwer erträglich.

Dass Unterdrückung, Folter und Tod schon seit Jahrtausenden praktiziert werden, daran erinnern wir uns als Christen in diesen Tag wiederum eindrücklich. Jesus Christus wird als Unschuldiger ans Kreuz genagelt. Er musste für seinen Glauben und seine Identität unbändige Schmerzen und stundenlanges Martyrium über sich ergehen lassen. Als König der Juden belächelt und verurteilt, aus den eigenen Reihen dem Feind verraten: Der Sohn Gottes konnte selbst nicht verstehen, warum er vom Vater verlassen wurde. In der prallen Sonne auf Golgatha zur Schau gestellt, dahinsiechend unter Bloßstellung.

Menschen waren seit jeher in der Lage, mit ihrem eigenen Gegenüber zutiefst verächtlich umzugehen. Ob das Kruzifix oder die Bomben in Kramatorsk: Sinnbildlich stehen sie für die Fähigkeit unserer Spezies, die eigenen Mitgeschöpfe auf perfideste Art und Weise ihrer Freiheit, den Rechten und des Lebens zu berauben. Wenn auch der Vergleich hinkt: Sie alle sind als Märtyrer für ihre Überzeugung von uns gegangen. Sie wurden verraten von den nahestehenden Jüngern einerseits, vom Brudervolk andererseits. Und am Ende steht über ihrem grausamen und würdelosen Tod die Frage des „Warums“.

Jesus konnte zunächst nicht begreifen, warum ihn Gott opfert. Weshalb er von der Welt gehen soll, obwohl er doch noch so viel vorhatte und gewahr war. Gerade beim Blick auf die vielen jungen Opfer des Krieges in der Ukraine gilt dieselbe Anklage: Wieso lässt man sie gehen, ihnen stand die Zukunft offen! Dass Christus den Sühnetod gestorben ist und damit die Sünden der Menschheit genommen hat, war ihm in der Drangsal verständlicherweise nicht klar. Stattdessen prangerte er die Tatenlosigkeit des Vaters im Himmel an. Und auch wir machen ihm Vorwürfe: Weshalb schreitest du nicht endlich ein?

Seit der Erfahrung des Massenmords durch die Nationalsozialisten haben viele Geistliche die Zuversicht aufgegeben, dass sich Gott zu irdischen Zeiten in das Weltgeschehen einmischen wird. Stattdessen ist seit dem alles Fassbare übersteigenden Weltkrieg mit der Vernichtung von Millionen Menschen unterschiedlichen Glaubens, Herkunft und sexueller Orientierung die Theodizée-Frage immer aktueller geworden. Kann ein allmächtiger Gott dem Bösen so reaktionslos gegenüberstehen? Warum lässt er dieses Leiden zu? Und muss sich unser Bild von ihm nicht ändern? Wissenschaftler haben seither die Holocaust-Theologie geprägt, welche uns seither ein neues Gottesbildes lehrt und den Fokus auf das unbeschränkte Handeln der Menschen verschiebt.

Weil Gott uns als seine Geschöpfe erschaffen hat, überlässt er uns die Freiheit, eigenverantwortlich zu handeln. Dieses unbändige Zeichen des Vertrauens bedingt gleichzeitig aber auch die kaum hinzunehmende Wahrheit: Für das Agieren der Menschen sind nur wir selbst zuständig. Autonomie kann nur dann in all seinen Facetten funktionieren, wenn wir auch in schwierigen und kaum vorstellbaren Situationen irdischen und menschgemachten Unheils die Konsequenzen für das entfesselte Verhalten von Anderen gemeinsam tragen. Zu dieser Überzeugung gehört dann auch: Wir können nicht nur in Lebenslagen der Schande und des Unfriedens auf Gottes Eingreifen pochen und ihn als Lückenbüßer verstehen. Nach dem Motto: Wenn es denn gut läuft, lass uns nur machen – doch wenn Putin die Weltordnung zerstören möchte, interveniere schnell! – So einfach geht Glaube nicht, er wäre sodann fatal.

Denn wir würden ewig hilfsbedürftige Kinder ohne eigene Souveränität und Autorität bleiben, würden wir diese Theorie bis zum Ende deklinieren. Schlussendlich hat auch Gott Jesus am Kreuz elendig zu Grunde gehen lassen. Er hat dieses Schauspiel der Ungerechtigkeit nicht gestoppt, sondern es bis zum tragischen Abschluss laufen lassen. Von der Auferstehung schien zu diesem Zeitpunkt kaum jemand geahnt zu haben. Und auch Christus verzweifelte. Seine Rückkehr aus dem Grab überraschte alle: Die Frauen, die den weggerollten Stein sahen, konnten ihren Augen nicht trauen. Sogar seine engsten Vertrauten erkannten ihn nach der Begegnung vorerst nicht. Viel zu unwahrscheinlich war das Wunder für unsere Vernunft und den Verstand gewesen.

Und so kann die Parabel des Osterfestes nur vollendet werden, wenn wir den Karfreitag nicht isoliert betrachten. Doch mag angesichts der Bilder aus Butscha überhaupt jemand daran festhalten, dass Krieg und Gewalt überwunden werden können? Dass das Sterben nicht das Ende ist, diese Erkenntnis der christlichen Lehre mag gerade in diesen Tagen zynisch klingen. Gott hat seinen Sohn zurück ins Irdische geschickt, um den Menschen von seiner Auferstehung berichten zu können und ihnen Trost zu geben: Ich bin zurück! Ich habe den Tod überwunden! Und ich bin für eure Sünden gestorben! – Diese Aussagen entsprechen der österlichen Verkündigung, die in 2022 aktueller ist denn je. Wo wird das Geheimnis des Glaubens bei uns sichtbar sein?

Ich denke in diesen Tagen oftmals an die Jahre 1989 und 1990. Demonstrierende Menschen stellten sich bewaffneten Einheiten in der DDR gegenüber. Nach der wiederholten Niederschlagung von Protesten – schon zu Beginn des Mauerbaus – waren die Befürchtungen immens: Die sozialistische Partei würde mit aller Härte gegen das Aufbegehren der Bürger für ihr Freisein vorgehen. Das Blutvergießen hatten viele schon einprogrammiert. Doch es kam am Schluss völlig anders: Die friedliche Revolution gilt als Gegenpart zum Grauen von Hitlers Diktatur. Und der Fall der Mauer, das Ende des Kalten Krieges und das Zerschneiden des Eisernen Vorhangs waren diese unerwarteten, unwirklichen und gar mystischen Zeichen dessen, dass Wundersames möglich ist.

Dass in der Wendezeit Menschen ihre Schwerter zu Pflugscharen machten, diese Ankündigung des Propheten Micha (Kap. 4, 1-4) bewahrheitete sich. Biblisch gesehen würde man sagen: Gott hat auf seine Art gezeigt, dass er die Hände nicht im Schoß hält. Er hat Menschen friedlichen Willens befähigt, Versöhnung und Miteinander herbeizuführen. Er hat Christus sterben lassen, um ihn danach als Retter der Welt einzusetzen.
Der Vater im Himmel hat offenbar Gefallen an der Katharsis – am Zusammenbruch, aus dem Neues entsteht. Ja, er lässt Kriege geschehen – doch er lässt Menschen gerade in solchen Momenten über sich hinauswachsen. Millionen Europäer öffnen dieser Tage ihre Arme und heißen Flüchtende in ihren Häusern willkommen.

Nächstenliebe und Solidarität sind die Werkzeuge, die Gott uns allen an die Hand gibt, um Lehren aus der menschlichen Entgleisung ziehen zu können. Zwar lässt er die Passion geschehen und uns das Kreuz auf der Schulter tragen. Doch wir werden nicht am Boden verharren, sondern er richtet uns auf. Aus diesem Wissen heraus können wir manch Herausforderung des Morgen leichter bewältigen. Aber zweifelsohne: Es lässt keinen einzigen Toten auf den Schlachtfeldern der Ukraine wieder lebendig werden. Wir müssen radikal eingestehen: Wer auf Gottes Liebe baut, wird sie bis zum bitteren Ende ertragen. Das bedeutet schlichtweg auch: Es braucht Wege, mit den Sünden, der Schuld und der Schande eines Wladimir Putins und seiner Schergen umzugehen.

Gott kann von uns nicht verlangen, dass wir ihm und seinen Militärs für all ihre Verbrechen irgendwann vergeben oder verzeihen. Ob Gott dies tun wird, bleibt alleine seine Entscheidung. Christlicher Glaube kann eine Zumutung sein, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass Jesus auch für das Unfassbare gestorben ist und sogar denen die Last ihrer Taten nimmt, die in ihrem Großmachtstreben die Welt in Chaos und Trauer gestürzt haben. Das heißt aber in gleichem Atemzug nicht, dass sie sich weltlichen oder himmlischen Gerichten entziehen können. Sie werden sich nicht nur ihrem eigenen Gewissen gegenüber früher oder später verantworten müssen, sondern sich auch der menschlichen Justiz und Gottes Gerichtsbarkeit am Ende ihrer Tage stellen.

Denn Jesu Tod ist kein Blankoscheck: Zwar verheißt er eine grenzenlose Annahme jedes Geschöpfes durch den Vater selbst. Aber er befreit uns nicht von dieser irdischen Hypothek, mit der wir zu Lebzeiten existieren müssen. Sie kann erdrücken und wird das Dasein erschweren. Denn auch der russische Machthaber wird mehr und mehr von den Impressionen eingeholt, die sein Gebaren illustrieren. Er wird vor den Spiegel treten und sich ins Gesicht schauen. Gott ist gnädig und unbestechlich gleichermaßen. Er erspart uns nicht die Konfrontation mit dem durch uns Verursachten, sondern führt uns das Fiasko mit aller Härte und Strenge vor Augen, das wir angerichtet haben. Und das Hinwegnehmen der Sünde gibt es bei ihm gleichsam nicht zum Nulltarif.

Es wird wesentlich darauf ankommen, inwieweit die Kriegstreiber dieser Welt eines Tages zur Buße fähig sein werden. Ob sie es schaffen werden, fruchtbringende Reue zu äußern – wir wissen es nicht. Worauf wir aber setzen können: Ostern verheißt uns Zuversicht in den dunkelsten Stunden. Wenngleich wir in den Augenblicken des Abgrundes nicht mehr an Perspektive denken, beweist uns die Geschichte eindrücklich: Schicksal und Krise haben weder in unserem eigenen Leben, noch in der Historie unseres Planeten das letzte Wort. Das Entsetzen von Maria am Kreuz wird vom entschwundenen Jesus aus der Grotte in Hoffnung gewandelt. Und die Tränen der Hinterbliebenen in Mariupol werden durch die Gesten aller Menschen guten Willens und mit einem Herzen in der Hand getrocknet werden. Der Ostersonntag macht den Karfreitag nicht ungeschehen, lässt ihn aber nicht unkommentiert stehen.

Philosophischer Laienarbeitskreis, Dennis Riehle, Martin-Schleyer-Str. 27, 78465 Konstanz, Mail: info@philosophischer-laienarbeitskreis.de
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